Cat Stevens ist ein großer Macher.

Für sein achtes Album „Numbers“ ging er in die Schweiz,

in kanadische Wälder oder nach Brasilien,

um Ruhe für seine Kompositionen zu haben.

Dabei entstanden auch die Grafiken zu dem Heft

„Märchen für Erwachsene“, das dem Album beiliegt.

A Phytagorean Theory Tale

Zu weit von der Erde entfernt, als dass man es sich vorstellen kann, gab es eine Galaxie. Und ungefähr im Zentrum dieser Galaxie

war der kleine Polygor-Planet.
Polygor existierte, um dem Universum Zahlen zu geben.

Nummer 1, 2, 3, 4, 5, 6, 7, 8 und 9. Jeden Tag wurden

Millionen und Milliarden und Trillionen von Zahlen an alle Welten,

die sie benötigten, verteilt.


Der Palast von Polygor war auf dem Gipfel eines großen Berges gebaut.

Er durchdrang die Wolken und war immer voller Licht.

Nicht Sonnenlicht, denn in dieser Ecke des Kosmos gab es keine Sonne wie die unsere, aber ein wärmeres, sanfteres Licht

von einer Gruppe leuchtender Sterne.

Die Zahlen wurden in einer gewaltigen Maschine

tief in den Kellern des Schlosses hergestellt.

Niemand wusste, wie lange der Palast schon stand.

Tatsächlich wusste niemand, wer in gebaut hatte.

Es waren keine Daten auf den Steinen

und keine Niederschriften waren angefertigt worden.

 


Nur neun Leute lebten im Palast.

Der erste Polygon wurde Monad genannt. Monad war der Herrscher, herrisch und schlecht gelaunt. Er sprach immer mit lauter Stimme.

Dupey war weise, ruhig und loyal. Er war Monad so verschrieben, dass er jede Nacht dessen Füße wusch.

Trezlar war der dritte. Trezlar war der jüngste und vergnügteste Polygon. Er liebte Abenteuer.



Cubis was terrible tidy and efficient. He disliked disorder.

Qizlo, der fünfte, liebte das Ausmessen des Weltraums in seinem eigenen speziellen Weltraumfahrzeug. Sein bester Freund war Hexidor, der sechste Polygon.

Hexidor war immer dabei, etwas zu erfinden. Er liebte es zu versuchen, in die Zukunft zu schauen.



Der siebte der Einwohner war Septo. Geistesabwesend liebte er Pflanzen und war bei den anderen als ihr Arzt bekannt.

Der achte Polygon hieß Octav. Octav war ungeschickt aber bereitwillig, der größte Polygon und genauso der dümmste.

Zuletzt kam der sanfte Novim. Novim war leise und alt. Er verbrachte viel Zeit mit damit, alles Tiefsinnige zu lesen und darüber nachzudenken.




 

 

Länger als ein Jahr war Cat Stevens mal wieder in der Versenkung verschwunden. Ende 1975 tauchte er gut gelaunt wieder auf, im Schlepp seine neue LP:

"Numbers" ist die Geschichte des Planeten Polygor und seiner neun witzigen Bewohner, die - von Cat Stevens illustriert - kurz in einer Beilage des aufwendig gestalteten Plattencovers vorgestellt werden. Wer dabei neugierig auf die Story von Polygor wird, kann sie in dem Buch "Numbers" nachlesen, das Chris Bryant und Allan Scott nach einer Idee des Künstlers schrieben.

 

Cat Stevens, der bei der Party anlässlich der Goldverleihung für "Teaser and the Firecat" ein Einzelinterview vor seinem ersten Deutschlandkonzert seit langem noch ablehnte, war am Abend vor seinem Düsseldorfer Konzert doch sehr gesprächig aufgelegt.

In der Bar seines Hotels erzählte und philosophierte er, bis er schließlich mit seinen Musikern, vom Hunger geplagt, ein vegetarisches Restaurant ansteuerte.

 

Doch ehe wir auf unser Gespräch kommen, noch einiges zu "Numbers":

Die neue LP zählt zweifellos zu den anspruchsvollsten Stevens-Produktionen. Nach "Whistlestar", der fröhlich inspirierten, karibisch angehauchten Piano-Einleitung (Stevens-Assoziation: "An Englishman walking on Ipanema") folgen ruhige Arrangements, die einen nicht gerade beim ersten Anhören packen.

Cat Stevens hatte gute Musiker zur Seite. Gitarrist  Alun Davis, Drummer Gary Conway, Bassist Bruce Lynch und das kugelrunde Keyboard-Ass Jean Russel gehörten auch zur Background Crew, die Cat Stevens auf seiner jüngsten Tournee begleitete.

Steve, wie ihn seine Freunde nennen, präsentierte einen sauberen, angenehmen Sound vor astrologischer Kulisse, brachte alte Hits und neue Songs und dokumentierte seinen magischen Fimmel, in dem er zur Begrüßung ein Zauber-Trio auf die Bühne schickte.

 

Astrologie und Zahlen haben es ihm angetan, speziell die Zahl 9 und die damit verbundene Dreierkombination. Über dieses Thema kann er stundenlang reden, kommt vom Hundertsten ins Tausendste, von Pythagoras bis zum Computer. Von Pythagoras inspiriert, suchte er sich genau neun Bewohner für den Planeten Polygor, von dem aus täglich tausende von Nummern an die Welten des Universums verteilt werden...
Cat Stevens schrieb die Songs von "Numbers" in Brasilien. Für dieses Land schwärmt er, seit er dort den Karneval erlebt hat. "Ich musste einfach wieder dorthin", erklärte er begeistert. Und da er es zu Hause sowieso kaum aushält, verzog er sich für einige Monate in südamerikanische Gefilde.
 
Hat Dich die Atmosphäre dort zu "Whistlestar" inspiriert, oder ist der Titel ganz einfach eine Folge des gegenwärtigen Reggea-Trends? Lässt Du Dich überhaupt von neuen Strömungen beeinflussen?
Nein, damit hat es nichts zu tun. Ich bin mit Reggea und karibischer Musik schon lange vertraut. Wenn ich schreibe, plane ich nie, wie es später klingen soll.
 
Du scheinst nie etwas zu planen... tust Du alles impulsiv?
Genau, deshalb kann ich Dir auch heute gar nicht mehr erklären, wie die Songs entstanden sind.
 
Aber irgendetwas muss Dich doch zu der Idee von "Numbers" inspiriert haben.
Die Grundidee ist die Situation von neun Leuten auf einem Planeten...
 
...und eines Tages kommt der große Hammer, der den Trott auf Polygor schlagartig ändert. In dem Textheft ist das ja nur angedeutet.
Das wirst Du in dem Buch finden!
 
Du hast auf dem Plattencover die originelle Empfehlung: "This Album isn´t take 2 seriously". Aber vermutlich steckt hinter den naiven Figuren wie dem Herrscher Monad, dem untertänigen Dupey, dem Tölpel Octave oder dem Weisen Novim doch irgendeine Symbolik.
Es ist schwer, Symbolik in ihrer Einfachheit zu verstehen. Aber auf einen Nenner gebracht, spiegelt "Numbers" in gewisser Weise die Situation unserer Erde wieder.
 
Siehst Du die Geschichte als Fiktion oder als Märchen, vielleicht sogar für Kinder geschrieben?  Du hast ja schon ein Kinderbuch mit eigenen Illustrationen herausgebracht.
Ja, man kann es als eine Art Fiktion verstehen, aber ich habe es nicht für Kinder geschrieben. Obwohl Kinder viel mehr Gefühl besitzen als Erwachsene und fähig sind, echte Beziehungen zu entwickeln.
 
Du hast ein auffälliges Faible für Kinder..
Ja, denn Kinder sind die echten Menschen. Wenn ich etwas geschrieben habe, dann gehe ich damit zuerst zu meinen kleinen Neffen. Wenn sie nichts damit anfangen können, weiß ich, dass ich es ändern muss, vereinfachen.
 
Du betonst immer, dass Du ein spontaner, impulsiver Typ bist. In welcher Stimmung bringst Du Deine Ideen zu Papier?
Wenn ich einen Song schreibe, weiß ich genau, für wen. Ich habe keine genaue visuelle Vorstellung, male mir jedoch aus, was diese fiktive Gestalt denkt, wie sie empfindet, was sie fühlt und wie sie dieses Lied versteht.
 
Wie stellst Du Dir überhaupt das ideale Publikum um Dich vor?
Der "perfect listener" ist fähig, meine Songs aufzunehmen, wie ich sie ihm gebe und fähig, eine gegenseitige Beziehung einzugehen.
 
Interessierst Du Dich überhaupt für Pressekritiken?  Ich denke eben speziell an die Rezession Deiner neuen LP, die in einer englischen Zeitung nicht gerade euphorisch behandelt wurde.
Ich kenne den Mann nicht, der das geschrieben hat und weiß auch nichts von seiner Einstellung. Er hat seine Meinung zum Ausdruck gebracht, und das akzeptiere ich. Ich bin kein Typ, der nach jedem Konzert sofort die Zeitungen kommen lässt, um zu lesen, ob ich fantastisch oder unheimlich schlecht war, Für mich ist das unwichtig, entscheidend ist die Reaktion des Publikums auf meine Musik.
 
Du bist ja meist äußerst zurückhaltend, wenn es um Interviews geht. Wenn Du Dich dann doch zu einem Gespräch bereit erklärst, welches Thema ist für Dich dann besonders wichtig?
Wenn ich Interviews gebe, kann man mich alles fragen. Du bist jetzt hier und wir unterhalten uns und in diesem Moment bin ich wie ein offenes Haus. Jeder hat das Recht, zu fragen, was er wissen will. Ganz gleich, ob es sich um private Dinge handelt oder um musikalische Themen.
 
Glaubst Du, dass ein Künstler ständig präsent sein muss, um erfolgreich zu sein?
Für mich trifft das jedenfalls nicht zu.
 
Was bedeutet für Dich eigentlich Erfolg? Gute Plattenverkäufe, Geld?
Erfolg bedeutet für mich Liebe, nicht Geld. Geld ist nur Ersatz für Liebe, das kannst Du bei vielen reichen Leuten beobachten.
 
Wir haben eingangs über Deine Abneigung zu planen gesprochen. Gilt das auch für Deine Karriere bzw. Deine Zukunft?

Ich mache mir darüber wirklich keine Gedanken. Alles, was ich brauche, ist die Musik. Music keeps me going! Ich bin wie eine Windmühle. Wenn ich meine Musik nicht habe, roste ich ein!

 

[MusikExpress, Febr. 1976]