Es begab sich zu der Zeit von Harun al Raschid (766-809) und Tausenundeiner Nacht als der persische Musiker Abul-Hasan Alí ibn Nafi in Bagdad erschien.
Seine dunkle Haut und seine wohlklingende Stimme erinnerten an eine Amsel mit ihren schwarzen Federn und ihrem schönen Gesang und so nannte man ihn
"Ziryab" (die Amsel).
Schon bald erregte er die Aufmerksamkeit des Kalifen Harun al Raschid. Nicht nur weil er der Laute die bis dato unbekannte fünfte Saite beifügte und zum Anschlagen der Lautensaiten statt eines
Holzplektrums ein Plektrum aus einer Adlerkralle benutzte, sondern auch wegen seiner schönen Stimme und seiner wohlklingenden Musikkompositionen.
So erlangte er die Gunst des Kalifen und bei Hofe den Ruf eines hervorragenden Lautenspielers und Sängers.
Sein Lehrer und Meister, der Hofmusiker Ibrahim al Mawsili, war rasend vor Neid und Eifersucht und so musste Ziryab fliehen.
Mit Schmeicheleien vermochten die Umayyaden-Herrscher in Andalusien Ziryab an ihren Hof in Córdoba zu holen.
Unter Kalif Abderramán II. (792-852) revolutionierte Ziryab das höfische Zeremoniell komplett und er wurde der "arbiter elegantiarum" des Kalifen.
In Córdoba angekommen, wurden Ziryab und sein Gefolge in einem der schönsten Häuser der Stadt untergebracht.
Abderrahmán II. ließ ihn zum Abendessen kommen und stellte ihn anderen wichtigen Personen der Verwaltung und des Hofes vor. Das Essen wurde nach den alten Traditionen aus der Zeit der Westgoten,
die vor den Muslimen über Andalusien herrschten, serviert und gegessen... zum absoluten Entsetzen des Ästheten Ziryab.
Als Lebenskünstler und Meister der feinen orientalischen Essgewohnheiten und edlen Tischsitten registrierte er mit aufmerksamen Blicken das Geschehen und versuchte, sich von den Angewohnheiten
der Andalusier ein Bild zu verschaffen: es gab einen gewaltigen Unterschied zwischen den Gewohnheiten im Osten, wie zum Beispiel in Bagdad und Samarra, und denen in Córdoba.
Diesen "Missstand" wollte Ziryab schnell ändern und führte raffinierte Rezepte aus dem islamischen Osten und die Speisenfolge für die verschiedenen Gänge eines Essens ein. Er zeigte den Herren
von Córdoba, dass man die Gerichte nicht in wilder willkürlicher Folge aufträgt, sondern dass man mit einer Suppe und einer Vorspeise beginnt, dem dann Fisch und danach Fleisch folgen. Gekrönt
wird das Mahl von einem opulenten Dessert und den kleinen Gläschen für den Likör.
Auch lehrte der Ästhet seine maurischen Zeitgenossen, dass man mit einem zierlichen Trinkgefäß aus Glas in der Hand viel eleganter aussieht, als mit einem schweren Humpen aus Gold oder Silber.
Ziryab zeigte den Cordobesen, dass man aus dem wilden grünen Spargel, der überall in Andalusien wild wuchs, wohlschmeckende Gerichte zubereiten kann und dass ein Eintopf aus jungen, zarten
Saubohnen eine Köstlichkeit ist. Ein cordobesisches Gericht aus weißen Bohnen trägt heute noch den Namen "Ziryabí".
Seine Neuerungen der vornehmen Lebensart und Kultur wurden aufgrund ihrer praktischen Vorteile und Ästhetik sehr rasch von Adel und Bevölkerung übernommen und bald auch bis in die Herrscherhäuser
der christlichen europäischen Länder übermittelt.
Auch seine Art, sich zu kleiden fand schnell Nachahmer.
Ziryab kleidete sich je nach Jahreszeit unterschiedlich. Er legte fest, dass man sich von Mai bis September in Weiß kleidete und die Stoffe mit dunklen und bunten Farben sowie die Lederkleidung
den Wintermonaten vorbehalten seien.
Dank Ziryab legte man in Córdoba nun auch Wert auf gepflegtes Haar, manikürte Fingernägel und weiche, zarte Haut.
In al-Andalus führte er das Schachspiel und das Polospiel ein.
Selbst einige seiner persischen Sitten und seinen Aberglauben konnte Ziryab den Cordobesen vermitteln: Die Furcht vor den Gelüsten der Schwangeren, die Gewissheit, dass Kinder, die mit Feuer
spielen, ins Bett machen, dass das Schlucken von Traubenstielen gut fürs Gedächtnis sei, das Zerbrechen eines Spiegels Pech und die Zahl 13 Unglück bringe.
Ziryab beschränkte seine Tätigkeit am Hof von Córdoba aber nicht auf den Unterricht in feinem Benehmen. Er gründete eine der ersten Gesangsschulen und entwickelte eine neuartige Methode des
Gesangsunterrichts.
Die Dienste des Ziryab waren dem Kalifen Abderramán II. im wahrsten Sinne des Wortes Gold wert, denn er war überzeugt, es gäbe keine schönere Stimme als die des Ziryab.
Deshalb zahlte er ihm ein Monatsgehalt von 200 Goldmünzen und weitere 1.000 Goldstücke gab es zu jedem muslimischen Festtag, dazu 500 zum Johannistag und noch einmal 500 Münzen an Neujahr.
Außerdem erhielt er 200 Sester Gerste (etwa 284 kg) oder 100 Sester Weizen (etwa 142 kg) und erfreute sich des Nießbrauchrechts diverser Gutshöfe rund um Córdoba.
Kein anderer Musiker wurde damals derart großzügig bezahlt... nicht einmal im generösen Byzanz und so verließ Ziryab den Hof von Córdoba nie mehr und blieb bis zu seinem Tod im Jahre 857 dort.