Die Beatles waren schuld

Yusuf Islam im Gepräch

Der Sänger Yusuf, ehemals Cat Stevens, über die Sinnsuche in der Popkultur der sechziger Jahre, über den Weg vom Buddhismus zum Islam und warum er nach 35 Jahren wieder auf Tournee geht.

Der Sänger Yusuf nannte sich früher Cat Stevens und galt als einer der wichtigsten Liedermacher der sechziger Jahre. Im Dezember 1977 bekehrte er sich zum Islam, nannte sich Yusuf Islam und kehrte der Musik  den Rücken. Nun nennt er sich nur noch Yusuf, lebt mit seiner Familie in Dubai und kommt im Mai nach 35 Jahren erstmals wieder auf Deutschlandtournee. Da wird er wenige neue und viele seiner alten Songs spielen, wie "Morning Has Broken", "Moon Shadow" und "Peace Train".

SZ: Warum gehen Sie wieder auf Tour?

 

Yusuf, ehemals Yusuf Islam, ehemals Cat Stevens, geborener Steven Demetre Georgiou: Es gibt wirklich nichts Besseres als das Gefühl, das man bekommt, wenn man vor einem Publikum steht. Auch wenn meine Erinnerungen ans Touren nicht besonders gut sind.


 

Sie spielen wieder in großen Hallen. Wer ist denn heute Ihr Publikum?

 

Viele, für die meine Songs so etwas wie der Soundtrack ihres Lebens war. Deren Kinder. Und dann gibt es noch eine neue Generation, die langsam auf die Botschaften kommen, die ich in den Siebzigern verbreitet habe.

 


Welche Botschaften?

 

Wenn Sie sich den Song "My People" anhören, den wir gerade aufgenommen haben - letztlich ist das "Peace Train" aus einem neuen Blickwinkel.


 

Wie präsent ist Ihre Musik in der islamischen Welt?

 

Lange Zeit gab es kein Musikgenre für Muslime. Vor allem wenn sie in Europa  leben, gab es nur irgendwelche importierten traditionellen Songs. Ich war wahrscheinlich einer der ersten, der Songs für muslimische Kinder auf Englisch geschrieben hat. Aber es gibt ganz sicher eine neue Generation islamischer Jugendlicher, die sich auch musikalisch ausdrücken wollen. Das ist neu.


 

Aber ist Musik im Islam nicht verpönt, ist sie bei Fundamentalisten nicht sogar verboten?

 

Ich glaube, dass Musik vor allem eine Frage des persönlichen Geschmacks ist. Viele Muslime haben ihre Vorbehalte gegen Musik, weil sie Musik nicht wirklich kennen. Sie identifizieren Musik mit etwas, das ihnen fremd ist. Ich habe ja selbst jahrelang einer sehr starken konservativen Strömung im Islam gehorcht, die besagte, dass Musik verboten ist. Aber dann habe ich mich schlau gemacht und realisiert, dass die Wirklichkeit ganz anders ist. Es war ja auch das islamische Spanien, über das mit der Gitarre das Instrument nach Europa kam, auf dem heute die Rockmusik basiert. Nein, eine der großen Naturschönheiten in Gottes Universum ist nun mal die Musik.


 

Was hat Sie zum Islam gezogen?

 

Es ist kein Zufall, dass ich einen Song mit dem Titel "Peace Train" geschrieben habe, und dass das Wort Islam vom Wort Salam abgeleitet ist, das Friede bedeutet. Das ist sogar sehr bedeutsam. Friede ist ein sehr flüchtiger Geistes- und Gefühlszustand. Man darf keine Angst vor dem Unbekannten haben. Mich persönlich haben verschiedene islamische Bücher, vor allem der Koran, von meiner Angst befreit. Weil ich Gott fand.


 

Waren Sie vor Ihrem Übertritt zum Islam schon auf spiritueller Sinnsuche?

 

Ja sicher. Mein erster Ausflug war Buddhismus. Religion neigt dazu, Mauern aufzubauen. Buddhismus hilft einem dabei, diese Mauern zu überwinden und die Natur der menschlichen Seele und Gottes zu verstehen, und zu begreifen, dass man das nicht nur in einer traditionellen Kirchengemeinde kann.

Das Ende einer Ära

Aber ist Buddhismus nicht so viel freier als der Islam? 

 

Da mögen Sie recht haben. Aber wenn Sie den Kern jedes Glaubens oder spirituellen Weges betrachten, dann finden Sie dort etwas, das im Zentrum steht. Im Buddhismus  ist es das Selbst. Im Islam ist es Gott. Wenn Sie sich aber immer nur auf sich selbst verlassen, kommen Sie unter Umständen nicht weit.


 

Sie waren in der Popkultur der sechziger Jahre nicht der Einzige, der auf Sinnsuche war. Wann wurde denn aus dem politischen Kern des Pop ein spiritueller Kern?

 

Daran waren wohl die Beatles schuld. Vor allem George Harrison. Er eröffnete uns den ganzen Horizont des Ostens, der uns vorher nicht besonders interessiert hat. Aber es war damals wirklich wichtig, dass wir so prominente Vorbilder hatten, die über den Tellerrand unserer eigenen Kultur schauen konnten.


 

Waren Sie sich damals bewusst, was für eine Rolle die Musik im gesellschaftlichen Wandel spielte?

 

Auf alle Fälle. Ich halte das immer noch für einen Glücksfall, dass ich Teil dieses historischen Moments war, als die Jugend meiner Generation beschloss, dass die Welt, die wir wollten, nicht ohne Wandel möglich sein würde.

Gleichzeitig konnte man beobachten, dass die Kommerzmaschine und Kräfte, denen unsere Visionen sehr fremd waren, begannen, Widerstand aufzubauen. Kent State University war sicherlich eines der wichtigsten Beispiele dafür (auf dem Kent State Campus schossen National-Guard-Truppen am 4. Mai 1970 in eine Studentendemonstration und töteten vier Demonstranten, Anm.d.Red.). Das war für viele das Ende dieser Ära.



War das Ende nicht schon das Rolling-Stones-Konzert in Altamont im Dezember 1969, bei dem ein Hells Angel einen Zuhörer erstach?

 

Altamont bereitete sicher die Stimmung vor. Und der frühe Tod von Jimi Hendrix. Aber nach Kent State überlegten sich viele, dass wir vielleicht nicht auf dem richtigen Weg waren, und wir uns vielleicht um unser spirituelles Nachleben kümmern sollten, bevor es uns erwischt.

 


Nun sind Sie als Muslim wieder mitten in einem historischen Moment des Wandels. Gibt es da Parallelen zwischen den sechziger Jahren und den Revolutionen im Nahen Osten?

 

Gute Frage. Bevor all diese neuen Stimmen im Nahen Osten Wandel und Freiheit forderten, habe ich immer herumlamentiert, dass die goldenen sechziger und siebziger Jahre vorbei sind, und dass die meisten Menschen der technisierten Cyber-Ära gar nicht so richtig da seien und nur virtuell leben würden. Und dann stellt sich heraus, dass ausgerechnet diese Technologie eine neue Welle solcher Bewegungen vor allem der Jugend auslöst. Ich fand das sehr inspirierend. Ich habe da große Hoffnungen. Auch wenn wir vielleicht lange darauf warten müssen, bis die Ziele dieser Aufstände erreicht sind. In diesem Teil der Welt verändern sich die Dinge sehr langsam. Auf der anderen Seite sind diese Ereignisse erst ein paar Monate her. Wir sollten also nicht zu große Erwartungen haben.

 


Der Glaube spielt in diesen Bewegungen keine besondere Rolle. Sehen Sie das positiv oder negativ?

 

Nichts kann den menschlichen Geist aufhalten. Und alles, was Religion tut, ist ja nur, ihn zu einem glücklichen Ende im Jenseits zu leiten. Im Diesseits brauchen die Menschen bestimmte Strukturen, um Erfüllung zu finden. Und so manche Struktur, die gestern noch funktioniert hat, funktioniert heute oder morgen eben nicht mehr. Nein, das ist wirklich eine positive Entwicklung.


[Süddeutsche Zeitung, 01.04.11]

 

Yusuf singt die Lieder von Cat Stevens

Einer der besten Songwriter kehrt nach 35 Jahren auf die Bühne zurück

Wenn Popstars auf ihrer eigenen Website Fragen beantworten, dann geht es dort meist um Klamotten, Ruhm und die Musik. Das ist bei den 24 Fragen, die Steven Demetre Georgiou auf seiner Seite beantwortet, nicht immer anders. Die Ausführlichkeit allerdings, die Ernsthaftigkeit und vor allem die Absicht, mit welcher der 62-Jährige unter dem etwas skurril "Chinese Whiskers" - "Chinesischer Backenbart" oder "Chinesische Schnurrhaare" - betitelten Link seine Philosophie ausbreitet, sind wohl Unikat. So wie der Mann selbst und seine Biografie.

 

Als Sohn eines zypriotischen Griechen und einer Schwedin in London geboren, gab Georgiou sich Mitte der Sechziger den Künstlernamen Cat Stevens, unter dem er zum sanftmütigen Star des Folkrock avancierte.

Nach knapp zehn höchst erfolgreichen Jahren beendete Cat Stevens 1977 sein Musikerleben, konvertierte zum Islam und nennt sich seither Yusuf Islam.

Wäre es dabei geblieben, hätte es an dieser Stelle über den Mann vermutlich weiter gar nichts zu berichten gegeben. Doch Yusuf, wie er sich heute nennt, schlich sich ein bisschen klammheimlich wieder zurück in die Musikwelt, zuerst sporadisch nur wie 1997 beim Benefizkonzert für Bosnien-Herzegowina oder 2003 beim "466664-Konzert" für Nelson Mandela in Johannisburg. Immer bloß ein, zwei Songs, ein flüchtig-freundliches Lächeln, Abgang. Doch 28 Jahre nach seinem letzten Album "Back To Earth", das ohnehin nur wegen alter Vertragsverpflichtungen seiner Plattenfirma gegenüber entstanden war, erschien mit "Another Cup" 2006 ein neues Studiowerk von Yusuf.

 

Seither hält er sich, während sein Haar allmählich ergraut und die Menschheit in zunehmend tiefere Abgründe hinabängstelt, beharrlich im Gespräch, ohne dabei zum Untertan einer branchengemäßen PR-Maschinerie zu werden. Yusufs Musik indes bleibt in der Berichterstattung über ihn meist Randthema, vielmehr muss er sich als Muslim erklären oder erklären lassen. Ersteres meistert er mit Bravour und Augenmaß, Zweiteres ist nicht ganz so leicht.

Yusuf agiert für Hilfsprojekte der UN im Kosovo, Irak und auch in London, gründet in England die erste von offiziellen Stellen unterstützte islamische Schule und wird von der britischen Regierung in ein Beraterteam berufen, dass beim Kampf gegen islamistischen Terrorismus helfen soll. Ein Jahr zuvor hatte noch ein Linienflug nach Washington auf Geheiß der US-Behörden abdrehen müssen, weil sein Passagier Yusuf dort dem terroristischen Umfeld zugerechnet wurde.

Yusuf aber fuhr seelenruhig fort, friedfertige Botschaften auszusenden, und tat dies zur Freude alter wie jüngerer Verehrer immer regelmäßiger auch in musikalischer Form. Er habe sich, gestand er gern, damals nicht etwa von der Musik als Teufelswerk verabschiedet, sondern vor allem vom Geschäft mit ihr, zu dessen Spielball er geworden war und das kein Leben nach seinen eigenen Maximen mehr erlaubt hätte. Nicht das einzige Detail in der Vita Yusufs, das sympathisch hippiesk anmutet. Nach seinem 2009 veröffentlichten Album "Roadsinger - To Warm You Through The Night" versöhnte er sich gar mit dem alten Oeuvre und führte zunehmend dessen Hits wieder öffentlich auf.

 

Wenn Yusuf nun am 10. Mai in Hamburgs O2 World seine Deutschland-Tournee startet, geht für seine Fans eine lange, entbehrungsreiche Zeit zu Ende. Songs wie "Lady D'Arbanville", "Wild World", "Moon Shadow", "Father And Son", "Morning Has Broken" oder "Where Do The Children Play" dürfen als feste Bestandteile des Abendprogramms versprochen werden, Yusuf wird mal allein mit Gitarre oder am Piano, dann wieder mit Band samt seines alten Weggefährten Alun Davies durch sein samtpfötiges Reich geleiten. Die neuen Lieder dürften sich kongenial einreihen, ihre Texte annoncieren wie früher tausend schöne Möglichkeiten, sie sind mal weise und dann wieder von fast juvenilem Esprit getragen und zum Glück nur in recht seltenen Momenten schlicht naiv.

 

Frauen sei dringend angeraten, ihre Euphorie zu bändigen: Berühren möchte Yusuf erklärtermaßen keine von ihnen, mit Rücksicht auf seine Gattin und die vier Töchter.

Man kann so etwas belächeln, viele haben das ja schon getan, man kann es aber auch schlicht mal akzeptieren. Und die Rückkehr eines der besten Songwriter einfach als Fest feiern, das in genau die richtige Zeit gefallen ist.

 

[Die Welt, 05.04.11]

 

 

Am Ende der Reise steht das Licht

Sänger Cat Stevens, jetzt Yusuf Islam, kehrt zurück auf die Bühne, der Zeitpunkt könnte nicht besser sein.

Eine Begegnung mit einem Träumer.



Hamburg. Das Plakat gefällt ihm. "Wanted" steht darauf in großen Lettern wie bei den Steckbriefen im Wilden Westen. Darunter sind ein junger Mann mit einer wilden Mähne und ein älterer mit Gitarre und langem Bart zu sehen. Der jüngere heißt Cat Stevens, der andere Yusuf, doch sie sind eine Person: Vier Jahrzehnte liegen zwischen den Aufnahmen. "Ich hätte mir die Haare nicht abschneiden sollen", sagt Steven Demetre Georgiou, der in den 60er- und 70er-Jahren als Cat Stevens der Sänger seiner Generation war - und Ende der 70er seine beispiellose Karriere aufgab, zum Islam konvertierte und sich fortan Yusuf Islam nannte. Doch zum Interview in einem Hamburger Hotel ist kein weltentrückter Prediger erschienen. Sondern ein blitzgescheiter Gesprächspartner mit feinem britischen Humor und braunen, lachenden Augen hinter einer randlosen Brille. Yusuf ist zurückgekehrt auf die Bühne, um, wie er sagt, wieder eine Verbindung zu seinen Fans und seinen Freunden herzustellen, von denen er sich damals sehr abrupt zurückgezogen hat.

 

"Diese Rückkehr fühlt sich wie der richtige Zeitpunkt an. Es gibt wieder eine Verbindung zu den 60er-Jahren. Das Nachdenken über Atomenergie und die Umstürze in den arabischen Ländern zeigen, dass wir wieder in bedeutenden Zeiten leben. Ich habe nie aufgehört zu träumen, dass der ,Peace Train' irgendwann sein Ziel erreichen wird", sagt Yusuf, 62. "Peace Train" ist bis heute einer seiner wichtigsten Songs, doch Yusuf erwähnt ihn ohne Pathos. Er sei selbst genauso überrascht von den Entwicklungen in Nordafrika und im Nahen Osten gewesen wie der Rest der Welt. "Musik kann die Menschen inspirieren und motivieren, aber einen gesellschaftlichen Wandel kann Popmusik nicht erreichen, das können nur die Menschen, die sich für diesen Wandel einsetzen." Auch denen hat er einen neuen Song geschrieben: "My People".

 

Als Cat Stevens war Yusuf eine Ikone des gesellschaftlichen Umbruchs in den 60er-Jahren. Kein Revoluzzer, sondern ein sanfter Poet mit einer Vision. "Die Musik hat die Vorstellung ausgedrückt, die wir damals von Bürgerrechten und einem Leben ohne Krieg und Vorurteilen hatten. Doch dann wurden 1970 an der Kent-University vier Studenten bei einer Demo erschossen. "Da stellten sich viele die Frage: Wie weit kommen wir mit unserer Vision?" Yusuf erinnert sich noch sehr genau an die politischen Ereignisse damals, aber auch daran, wie die hehren Ziele der Hippies ihre Unschuld verloren, weil geschäftliche Interessen immer stärker wurden. Für seinen damaligen Abschied aus dem Rock-'n'-Roll-Zirkus nennt er auch heute vor allem persönliche Gründe.

Er habe sich um seinen kranken Vater kümmern müssen, er habe geheiratet und Kinder bekommen, und er habe als Sänger keinen neuen Horizont für sich ausmachen können. "Die Kriterien meines Leben hatten sich völlig verändert", sagt Yusuf, und dann zitiert der Moslem den mittelalterlichen Theologen und Philosophen Meister Eckhart: "Um das zu werden, was du erstrebst, musst du das aufgeben, was du bist." Schon zehn Jahre vor seinem letzten Konzertauftritt 1979 hatte der Popstar angefangen, sich selbst anders wahrzunehmen. 1969 war er nach einer anstrengenden Zeit mit vielen Tourneen und Dutzenden Fernsehauftritten zusammengebrochen. Diagnose: Tuberkulose. Ein mehrmonatiger Krankenhausaufenthalt unterbrach die hoffnungsvolle Karriere; dann, 1975, ertrank Cat Stevens beinahe am Strand von Malibu Beach, für ihn ein weiteres Zeichen, den Sinn und die Aufgabe seines Lebens zu reflektieren und sein Leben in den Dienst Gottes zu stellen.

 

Wenn Yusuf am 10. Mai im Hamburger Volkspark seine Deutschland-Tournee eröffnet, wird er fast alle seine großen Hits spielen - natürlich auch "Peace Train". "Es ist sicher ein sehr ikonischer Song, aber er ist eingebettet in zwei andere", erklärt der Künstler. "Die Reise beginnt mit ,Father And Son', sie geht mit ,Peace Train' weiter und erfüllt sich mit ,Morning Has Broken'. Am Ende steht das Licht."

 

Auf eine seiner schönsten Balladen werden seine Fans jedoch verzichten müssen: "Lady D'Arbanville", das Cat Stevens seiner ehemaligen Freundin, der Schauspielerin Patty D'Arbanville gewidmet hat, gehört nicht zum Repertoire. "Meine Frau mag den Song nicht besonders", sagt er und schiebt ein verschmitztes "Verständlich" hinterher.

 

An frühere Konzerte in Hamburg kann er sich nicht mehr erinnern. "Wenn man auf Tour ist, verliert man das Gefühl für die Orte, weil der Tagesablauf mit Soundcheck und Auftritt immer gleich ist. Aber ich erinnere mich daran, dass Hamburg ein guter Ort zum Einkaufen ist." Als Yusuf 2003 wegen einer Galaveranstaltung mit Michail Gorbatschow in Hamburg war, fand er Zeit, für seinen Sohn Muhammad Stiefel und eine Jacke zu kaufen. Einkaufsparadies Hamburg - kaum zu glauben, dass man das mal von einem hört, der den Konsum verachtete und im hippen London gelebt hat.

 

[Hamburger Abendblatt, 05.04.11]

 

Yusuf Islams festes Hoffen

auf den "Peace Train"


Er ist kein Revoluzzer, sondern ein sanfter Poet mit einer großen Vision. Im Mai startet die Ikone der 60er seine Deutschlandtournee.


Das Plakat gefällt ihm. "Wanted" prangt darauf in großen Lettern wie bei den Steckbriefen im Wilden Westen. Darunter sind ein junger Mann mit einer wilden Mähne und ein älterer mit Gitarre und langem Bart zu sehen. Der jüngere heißt Cat Stevens, der andere Yusuf, doch sie sind eine Person.


Vier Jahrzehnte liegen zwischen den Aufnahmen. "Ich hätte mir die Haare nicht abschneiden sollen", sagt Steven Demetre Georgiou, der in den 60er- und 70er-Jahren als Cat Stevens der Troubadour seiner Generation war und Ende der 70er-Jahre seine beispiellose Karriere aufgab, zum Islam konvertierte und sich fortan Yusuf nannte.


Cat Stevens – der sanfte Poet

"Diese Rückkehr fühlt sich wie der richtige Zeitpunkt an. Es gibt wieder eine Verbindung zu den 60er-Jahren. Das Nachdenken über Nuklearenergie und die überraschenden Demonstrationen und Revolutionen in den arabischen Ländern sind Beispiele dafür, dass wir wieder in bedeutenden Zeiten leben.

Ich habe nie aufgehört zu träumen, dass der ,Peace Train' irgendwann sein Ziel erreichen wird", sagt Yusuf. "Peace Train" ist bis heute einer seiner wichtigsten Songs, doch Yusuf erwähnt ihn ohne Pathos.


Als Cat Stevens war Yusuf eine Ikone des gesellschaftlichen Umbruchs in den 60er-Jahren. Kein Revoluzzer, sondern ein sanfter Poet mit einer Vision. "Die Musik hat die Vorstellung ausgedrückt, die wir damals von Bürgerrechten und einem Leben ohne Krieg und Vorurteilen hatten. Doch dann geschah 1970 an der Kent-Universtity die Erschießung von vier Studenten bei einer Demo. Da stellten sich viele die Frage: Wie weit kommen wir mit unserer Vision?" Für seinen damaligen Abschied aus dem Rock-'n'-Roll-Zirkus nennt er aber vor allem persönliche Gründe.


Wie aus Stevens Yusuf Islam wurde

Er habe sich um seinen kranken Vater kümmern müssen, er habe geheiratet und Kinder bekommen und er habe als Sänger keinen neuen Horizont für sich ausmachen können.


"Die Kriterien meines Leben hatten sich völlig verändert", sagt Yusuf, und dann zitiert der Moslem den mittelalterlichen Theologen und Philosophen Meister Eckhart: "Um das zu werden, was du erstrebst, musst du das aufgeben, was du bist."


Schon zehn Jahre vor seinem letzten Konzertauftritt 1979 hatte der Popstar angefangen, sich selbst anders wahrzunehmen. 1969 brach er nach einer anstrengenden Zeit mit viel Tourneen und jedem Fernsehauftritt, den er bekommen konnte, zusammen.


Diagnose: Tuberkulose. Ein mehrmonatiger Krankenhausaufenthalt unterbrach die hoffnungsvolle Karriere, 1975 ertrank er am Strand von Malibu Beach beinahe, für ihn ein weiteres Zeichen, den Sinn und die Aufgabe seines Lebens erneut zu reflektieren und sein Leben in den Dienst eines Gottes zu stellen.


Wenn Yusuf/Cat Stevens am 10. Mai die Deutschlandtournee mit fünf Konzerten eröffnet, wird er fast alle seine großen Hits spielen, natürlich auch "Peace Train". Auf eine seiner schönsten Balladen werden seine Fans jedoch verzichten müssen: "Lady D'Arbanville", das er seiner ehemaligen Freundin, der Schauspielerin Patty D'Arbanville gewidmet hat, gehört nicht zum Repertoire. "Meine Frau mag den Song nicht besonders", sagt er und schiebt schnell ein "Verständlich", hinterher.


[morgenpost.de, 10.04.2011]

Yusuf alias Cat Stevens wieder auf Tour


Plötzlich fängt der bärtige Mann auf dem Hotelsofa an zu trällern. „Moonshadow, moonshadow“, tönt es etwas piepsig aus seinem Mund. So, erzählt Yusuf – ehemals Cat Stevens – lachend, singen seine Enkelkinder seine Hits.
„Sie alle lieben meine Songs.“
 
Der 62-Jährige selbst dagegen wollte Jahrzehnte lang mit seinen großen Erfolgen wie „Wild World“, „Peace Train“ oder „Father and Son“ nichts mehr zu tun haben. Nun aber kehrt er zurück auf die Bühne: Nach 35 Jahren geht der Sänger erstmals wieder auf Deutschlandtournee – mit den Klassikern aus der Cat-Stevens-Zeit im Gepäck. Der Auftakt ist am Dienstag (10. Mai) in Hamburg.

Bei seinen insgesamt fünf Konzerten wird Yusuf einige neue und viele alte Songs spielen. Ein Umschwung, auf den seine Fans seit langem gehofft hatten. Wie kam es zu dieser Kehrtwende? „Es ist wie eine Ausstellung meines musikalischen Kaleidoskops, meines musikalischen Lebens“, sagt der Mann, der einer der wichtigsten Liedermacher der 60er und 70er Jahre war. Ohne die Anfänge, ist er inzwischen überzeugt, gehe es einfach nicht.

Da spricht einer, der angekommen scheint, der sich versöhnt hat mit sich selbst. „Mir ist es gelungen, Antworten auf ein paar meiner Fragen zu finden“, erzählt der Sänger, der so lange auf Sinnsuche war. Sein Glaube spielt für den Moslem eine herausragende Rolle. „Jetzt ist es an der Zeit, Brücken zu überqueren, Lücken zu füllen und Herzen zusammenzubringen“, betont Yusuf. „Und Musik kann das.“

Die Musik schafft es ja sogar, den gläubigen Familienvater mit dem schillernden, weltberühmten Popstar von einst zu vereinen: Auf dem Konzertplakat steht der junge, verträumte Cat Stevens mit seiner wilden Lockenmähne einträchtig neben dem kurzhaarigen, langbärtigen Yusuf. Was für ein Bruch zwischen diesen beiden Aufnahmen liegt. Ende der 70er Jahre gibt der Publikumsliebling mit den Katzenaugen und der sanften, unverwechselbaren Stimme seine Weltkarriere auf. Seine Instrumente lässt er später versteigern.

Es ist eine völlige Abkehr vom Showbiz. Steven Demetre Georgiou – unter diesem Namen wird er als Sohn einer Schwedin und eines griechischen Zyprioten in London geboren – konvertiert zum Islam und nennt sich Yusuf Islam. Große Teile seines Millionenvermögens gibt er fortan für humanitäre Zwecke aus. Nach den Höhenflügen als Superstar wollte er damals wieder auf den Boden kommen, erzählt der 62-Jährige über das jähe Karriereende. „Ich glaube, ich hätte das nicht tun können, während mein Kopf noch oben in den Wolken schwebte.“

Persönliche Gründe kamen hinzu: Er kümmerte sich um seinen kranken Vater, und er gründete selbst eine Familie. „Ich konnte nicht alles gleichzeitig tun, und ich brauchte eine Pause. Es war eine lange Pause, weil ich so engagiert war bei allem, was ich begann.“ Etwa der Gründung einer Islam-Schule in London, für die jetzt seine Kinder verantwortlich sind. Yusuf und seine Frau leben inzwischen in Dubai – von dort aus geht es nun wieder „on the road“.

Dass das Ende seiner Tour-Pause ausgerechnet in eine Zeit fällt, die vom Umsturz in der arabischen Welt geprägt ist, findet Yusuf spannend. „Das erinnert mich an die Ära der 60er Jahre, in denen es Märsche für dies und das gab, vor allem für die Emanzipation bestimmter Gruppen.“ Die politischen Themen von damals und heute seien sich erstaunlich ähnlich: „Das ist auch inspirierend.“ Den Song „My People“ etwa hat er – angeregt durch den Aufstand in Ägypten – für Menschen geschrieben, die um ihre Freiheit kämpfen.
 

Er hoffe, dass seine Musik Grenzen überschreitet, sagt Yusuf. Auch im Publikum. Bei seiner Tour in Australien im vergangenen Jahr seien ganze Familien gekommen und Menschen völlig unterschiedlichen Alters. Selbst eine 100 Jahre alte Großmutter habe sich an ihn als "Mann mit der Gitarre und den Locken" erinnert, erzählt Yusuf. Seine verschmitzten Augen hinter der randlosen Brille lachen. Und auch seine Familie, die im Hintergrund lauscht. Ehefrau und Sohn sind die ganze Zeit dabei, zeichnen das Interview auf, geben ihr Okay für die Fotos. "Mein Sohn und meine Familie sind große Fans von mir."


Seinen Künstlernamen "Cat Stevens" habe er "niemals geändert", sagt der 62-Jährige. "Ich bin von Steven Demetre Georgiou zu Yusuf Islam gewechselt - das ist das offizielle Stück Papier." Cat Stevens sei immer ein Künstlername gewesen. "Aber als Personenname, wenn mich jemand 'Cat' nennen würde...dann hätte ich nicht viel Zeit für ihn."


Der Sänger arbeitet derzeit an einem neuen Album. "Ob es noch in diesem Jahr fertig wird oder im nächsten, weiß ich nicht." Außerdem ist er mit einem Musical namens "Moonshadow" beschäftigt. Es sei ein bisschen autobiografisch, erzählt Yusuf, spiele aber in einer fantastischen Welt. "Ich glaube, es ist was für die ganze Familie." In dem Musical seien auch neue Songs zu hören, vor allem aber Lieder aus der Cat-Stevens-Zeit.

[relevant.at, 04.05.11]

 

"Ich will die alten Songs spielen"

 

Als Cat Stevens kam er zu Weltruhm, als Yusuf Islam fand er seinen inneren Frieden. Für eine Tournee wird sich Yusuf jetzt wieder in Cat zurückverwandeln.

 

Yusuf Islam reist mit großer Entourage. Zum Interview in einem Hamburger Luxushotel erscheint der Sänger mit Ehefrau Fauzia Mubarak Ali, Sohn Muhammad und seinem Tourneeveranstalter Marek Lieberberg. Mit ergrautem Bart und sanfter Stimme wählt der in graue Gewänder gehüllte Islam seine Worte genau, wenn es darum geht zu begründen, weshalb er sich nach fast 30 Jahren für die Dauer einer Tournee wieder zu seinem Künstlernamen Cat Stevens bekennt. Muhammad legt zur Sicherheit ein Aufnahmegerät mit auf den Tisch - in der Vergangenheit sei er oft falsch zitiert worden, sagt Islam, das Diktafon eine reine "Sicherheitsmaßnahme".

 

Welt am Sonntag: Mr. Islam, die Welt denkt, Sie wären 30 Jahre lang untergetaucht gewesen, aber das stimmt so ja gar nicht.

 

Yusuf Islam: Genau. Ich habe Musik für Kinder gemacht und für Erwachsene, und ich habe ein Kinderbuch veröffentlicht, das den Islam leicht verständlich erklärt. Das Buch basiert auf einem Gedicht, das ich geschrieben hatte, es trägt den Titel "A Is for Allah". Schon zu Beginn meiner Karriere habe ich versucht, mir die Naivität des Kindes zu bewahren, die kindliche Sicht auf die Welt.


 

In "A is for Allah" erklären Sie Kindern auf Basis des Alphabets Begriffe aus dem Islam.

 

Im Westen begreift man Allah nicht als denselben Gott. Aber das ist nur ein Sprachproblem, das es zu überwinden gilt. Im Alphabet, auch für Kinder, hat "Allah" oder "Gott" aber natürlich eine größere Autorität als "Apfel". Das habe ich mit meinem Buch korrigiert.


 

Und "B" wäre dann nicht "Banane", sondern ...?

 

Erstens steht "B" auch in normalen Kinderbüchern nicht für "Banane", sondern für "Ball". Und zweitens steht "B" bei mir für "Bismallah". Das ist Arabisch und bedeutet "Im Namen Gottes".

 


Muss man selbst Kinder haben, um eine CD mit Kinderliedern aufnehmen zu können?

 

Natürlich ist es von Vorteil. Kinder haben keine Hemmungen zu fragen. Erwachsene hingegen tun oft so, als ob sie alles wüssten. Ohne diese Offenheit der Kinder tagtäglich zu erleben, dürfte es mir schwer fallen, Musik oder Texte für Kinder zu schreiben.

 


Stimmt es, dass Ihre erste Begegnung mit dem Islam bei einem Marktbesuch in Marrakesch stattfand?

 

Das kommt hin. Marokko war das erste muslimische Land, das ich in meinem Leben besucht habe. Ich kam dort aber vor allem mit der Kultur des Landes in Berührung, weniger mit dem Glauben. Ich hörte auf dem Markt Musik aus einer Moschee, und jemand sagte zu mir: "Diese Musik wird für Gott gespielt." Das gefiel mir. Ich kannte es bis dahin nur, dass man Musik für den Applaus spielte, für das Geld oder für den Erfolg. Aber für Gott? Das war eine neue Agenda. Dass es ein Leben geben könnte, in dem man selbst nicht im Mittelpunkt steht, sondern etwas anderes - das hat mich beeindruckt.


 

Von 1966 bis 1977 dauerte Ihre "bürgerliche" Karriere als Musiker und Rockstar. Dann sind Sie zum Islam konvertiert - und rührten fast zehn Jahre lang Ihre Gitarre nicht an.

 

Das ist korrekt. Allerdings habe ich 1978 noch ein Album als Cat Stevens abgeliefert, um meinen Schallplattenvertrag zu erfüllen.


 

Die meisten Musiker behaupten, dass sie auf alles im Leben verzichten könnten - aber nicht auf Ihr Instrument. Wie erging es Ihnen?

 

Es gab sehr wohl Kontinuität! Reden wir für einen Moment einmal von der Idee des perfekten Songs. Schlussendlich suchen Sie als Musiker nach Harmonie und Feierlichkeit. Ich zumindest. Heavy Metal hat mich nie interessiert.

 


Freejazz auch nicht?

 

Ich liebe Freejazz. Aber wenn wir über meine Musik sprechen, dann geht es mir um das Erzählen von Geschichten. Als ich also die Gitarre links liegen ließ, habe ich trotzdem weiterhin an den Geschichten gearbeitet, die ich zu erzählen hatte. Ich habe als Musiker also weitergearbeitet, wenn auch ohne Instrument. Fortschritt im Sinne eines inneren Friedens kann nur erzielt werden, wenn Sie bereit sind, sich auf eine Reise zu begeben, wenn Sie bereit dazu sind, Wegrouten zu ändern. Wenn ich also gefragt werde, wie ich so lange keine Musik machen konnte, antworte ich stets: Hast du denn meine Texte nicht gelesen? Ich habe doch in meinen Texten mein neues Leben angekündigt. Und indem ich mein neues Leben gelebt habe, bekam ich Stoff für meine neuen Texte.


 

Wiederholt haben Sie die amerikanischen Folksänger als Ihre Lehrer bezeichnet.

 

Absolut. Die Straßensänger haben gelebt und gelitten. Die Blueser sind die besten Musiker von allen, weil sie von Erfahrungen berichten, von echtem, durchlittenem Schmerz. Ich spreche von Sängern wie Leadbelly. Auch Lonnie Donegan war ein Vorbild. Der Blues war eine Musik mit einer Funktion: Die versklavten Schwarzen versuchten sich mit ihrer Musik zu erleuchten und zu trösten. Und dann gibt es natürlich Dylan, der die Elemente, aus denen sich die Blues- und Folkmusik zusammensetzte, aufgriff - und um die Ebene elaborierter Texte erweiterte. Und schließlich waren es die Beatles, die all dieser Musik den richtigen Klang verpassten. Die Beatles waren der Soundtrack der Sechziger. Und vergessen wir nicht die Musicals in Covent Garden, von denen ich keines zu verpassen versuchte - "West Side Story", "Porgy and Bess", "King Kong" und wie sie alle hießen. Ich stand als Cat Stevens irgendwo zwischen all diesen Parametern, war eine Mischung aus all dem.

 


Das alles hatte aber keinen Wert mehr, als Sie Mitte der Neunziger begannen, Ihre sogenannten "Nasheed"-Aufnahmen zu machen, in denen Sie in arabischer Manier Gebete singen - und zwar ohne nennenswerte musikalische Begleitung.

 

Das waren Acapella-Aufnahmen, zu denen gerade mal ein wenig Perkussion zu hören war. In der Musik ging es schon immer darum, Weisheit, Wissen und Information weiterzutragen. Nehmen Sie Homer: Die "Iliade" und "Odysseus" sind Gesänge. An diese Tradition habe ich angeknüpft. Die Call-and-response-Gesänge der Schwarzen auf den Plantagen - auch das war Musik, die aus Gesang und perkussiven Elementen bestand. Ich habe mich, wie Sie sehen, tief beschäftigt mit der Musik.



Wieso haben Sie die Gitarre wieder aus dem Schrank geholt? Gilt sie nicht als "unislamisches" Instrument?

 

Ich habe recherchiert. Die Gitarre, wie wir sie kennen, basiert auf der irakischen Oud. Das Saiteninstrument kam über das islamische Spanien nach Europa. Also sah ich kein Problem, sie wieder in die Hand zu nehmen.

 


Und wie fühlte sich das an?

 

Gut! Die Gitarre erlaubt es mir, wieder vor Publikum zu spielen. Ich will die alten Songs spielen, denn ich kann sie heute, mit meiner Lebenserfahrung und Weisheit ganz anders singen als früher.


 

Sie meinen: Sie haben damals nur geahnt, was Sie mit Ihren Songs eigentlich "wirklich" ausdrücken wollten?!

 

Es gibt die vierte Dimension der Zeit, und diese ist gleichbedeutend Erfahrung.

 


Wer war denn eigentlich der Mann, der damals Cat Stevens hieß und jene Songs schrieb, die Sie heute mit einem anderen Verständnis singen können?

 

Er hatte die gleichen Grundfragen wie ich heute. Aber ich habe damals das Licht noch nicht gesehen. Nehmen Sie meinen Song "Matthew & Son". Ich beschreibe darin eine Ausbeutungssituation, wie wir sie im Kern aus Blues-Songs kennen. Wenn ich mir den Song heute ansehe, kann ich nur sagen: Ich kannte diese Ausbeutungssituation nicht. Wer da gesungen hat, das war ich, der versuchte ein Rockstar zu sein. Es gibt einen schmalen Grat zwischen dem Bewussten und dem Unbewussten, auf dem die Texte entstehen.


 

Hat sich das Songschreiben für Sie im Laufe der Zeit verändert?

 

Grundsätzlich ist immer eines: Wenn Sie einen Songtext schreiben, dann arbeiten Sie bewusst an etwas, von dem Sie wissen, dass es vorher nicht existiert hat. Sie wissen, dass Sie im Begriff sind, etwas Einzigartiges zu erschaffen. Die Freude und die Aufregung, die damit einhergehen, sind unaustauschbar. Als ich die Gitarre wieder in die Hand nahm, hatte ich viele Texte, zu denen ich Melodien und Harmonien schreiben musste. Ich gebe im Rückblick zu, dass ich mich mit meinen "Nasheed"-Aufnahmen künstlich limitiert hatte. Nur Stimme und Perkussion - das ist auf die Dauer etwas mager für richtige Songs. Aber am Ende sind das Nebensächlichkeiten.

 


Inwiefern Nebensächlichkeiten?!

 

Der Prophet sagt: Egal, was du auch tust im Leben, tue es mit dem Anspruch der Perfektion, tue es so gut, wie du kannst.


 

Sie wussten in den Siebzigern, wie man einen Hitsong schreibt. Ist der Erfolg, zumal der Welterfolg, ein Beweis für Perfektion?

 

Einige meiner berühmtesten Songs wurden von mir in einer formelhaften Weise geschrieben. Ich singe sie daher heute nicht mehr. Das betrifft aber nicht alle meiner berühmten Songs. Die Mehrzahl habe ich ohne die Formel im Kopf geschrieben.

 

 

[Welt am Sonntag, 24.04.11]

 

Warum wollen Sie wieder singen, Mr. Islam?

Wir treffen uns in einem Hotel in Hamburg. Yusuf ist mit seiner Frau Fauzia Ali und seinem Sohn Muhammad gekommen.

Lange Zeit soll er Frauen nicht einmal die Hand gegeben haben.

Wir reichen uns zur Begrüßung freundlich die Hände.

Yusuf wählt seine Worte dann sehr sorgfältig.



Dieses schöne, ganz neue Lied von Ihnen heißt „My People“. Was meinen Sie mit „My People“?

 

„My People“ ist ein sehr allgemeiner Begriff. Er hat keine Grenzen. Er hat keine Farben. Er hat keine Nationalitäten. Es ist doch der menschliche Geist, verstehen Sie, der versklavt wurde und der Befreiung braucht. Deshalb bezieht sich „My People“ auf jedes Volk, überall auf der Welt, auch in der Vergangenheit.

 

 

Aber ganz besonders richtet sich das Lied an die arabische Welt?

 

Es ist inspiriert von den Ereignissen in der arabischen Welt.

 

 

Darf ich Sie fragen, was Ihre persönliche Idee von Zukunft ist, speziell für die arabische Welt, nach diesen Revolutionen?

 

Ich bin immer optimistisch, und ich habe meinen Optimismus niemals aufgegeben. Manchmal sind Veränderungen schwierig. Man muss sich daran gewöhnen, und das ist eine Zeitlang unbequem. Aber anders ist keine Veränderung möglich. Und was wir jetzt etwa in Libyen sehen, ist wohl der Preis dafür. Ich habe einmal darüber in dem Lied „Changes IV“ auf dem Album „Teaser and the Firecat“ geschrieben (deklamiert): „Don't you feel a change a coming from another side of time . . . And we all know it's better, yesterday has passed. Now let's all start living for the one that's going to last.“ Da ist doch alles drin! Es steht im Liedtext, durch und durch passend. (lacht)

 

 

Bleiben wir noch bei den arabischen Revolutionen, besonders in Ägypten. Das war keine religiöse Revolution. Es war eine politische Revolution. Was bedeutet es also, wenn Sie in Ihrem neuen Lied sagen: „god show the way“?

 

Gerechtigkeit und Gleichheit sind Teil von Gottes Rezept für das Glück der Menschen. Sie müssen sich ja nur die Zehn Gebote anschauen, um zu wissen, wie wir uns alle verhalten sollten. Deshalb denke ich, darin liegt kein Widerspruch. Der entscheidende Punkt dabei ist doch, dass es zum Umsturz kommen wird, wenn ein Volk ökonomisch und politisch depriviert ist. Es gibt da einen breaking point. Deshalb muss jede Führung letztlich ein Ohr für Gott - oder sagen wir: für ein göttliches Gesetz - haben und gleichzeitig auf das Gleichgewicht mit den Lebensgrundlagen eines Volkes heute achten. Man muss das ausbalancieren, aber dabei stets auf das Volk achten und sehen, was die Leute brauchen und wonach sie rufen.

 

 

Also ist die Idee hinter Ihrem Liedtext für „My People“ nicht die Idee eines islamischen Staats? Sondern es ist die Idee eines demokratischen . . .

 

. . . die Idee der menschlichen Zivilisation. Ich glaube nicht, dass man Propheten und geistige Führer von der Entwicklung der menschlichen Zivilisation - wie soll ich sagen? - auslöschen oder ausschließen kann: Das ist miteinander verflochten. Wenn man in der Geschichte zurückschaut, dann ist es interessant, dass immer wieder bedeutende spirituelle Figuren erscheinen so wie Abraham zur Zeit Babylons, Moses zur Zeit des Pharaos, Jesus zur Zeit der Cäsaren. Und das sind alles Momente in der Zivilisation, in denen wir ein bisschen mehr Anleitung brauchten.

 

 

Und doch noch einmal zu den Revolutionen: Es geschah zum ersten Mal in der Geschichte, dass in der arabischen Welt Frauen in der ersten Reihe neben den Männern standen, um für die Rechte des Volks zu kämpfen. Denken Sie, dass sich in dieser Region auch für die Frauen ein Umbruch vollzieht?

 

Sie wissen doch, James Brown hat es gesagt . . .

 

 

James Brown?

 

Er sagte es so (singt): „It is a man's world - but it would mean nothing without a woman or a girl.“

 

 

Unbedingt!

 

Nein (muss selbst lachen), nicht ohne das göttliche Gleichgewicht zwischen Mann und Frau! Wenn man in der Geschichte zurückschaut, dann ist es erstaunlich zu sehen, dass der Islam den eigentlichen Anfang der Rechte für Frauen gebracht hat: Die Frau verliert nicht ihren Namen bei der Hochzeit, sie hat das Recht, Geschäfte zu treiben, sie kann ihren Ehepartner frei wählen - all das war tatsächlich in den frühen Lehren des Islam aufbewahrt. Wohin es mit dem Islam dann mitunter gekommen ist, das kann natürlich von den Kulturen beeinflusst sein, mit denen er in Kontakt kam.

 

 

Es ist also nur eine Frage der Interpretation und der umgebenden Kulturen?

 

Ganz genau. Sittsamkeit war allerdings immer wirklich zentral für ein religiöses, ein moralisches Leben - und einige dieser verschleierten Frauen standen an der Front.

 

 

Eben, genau!

 

Sie müssen wissen, ägyptische Frauen sind die Chefs!

 

 

Die Frauen sind dort die Chefs?

 

Ziemlich oft.

 

 

Werden Sie denn auch in der Regierung vertreten sein?

Glauben Sie das?

 

Ja, das denke ich, jaja! (Yusufs Frau, die selbst ein Kopftuch trägt, fügt hinzu: „We hope so! We hope so!“). Das liegt wieder am kulturellen Umfeld des Landes. Es ist schwierig für andere, etwas einzuführen, was nicht von dort kommt. Deshalb berufe ich mich auf die frühen Lehren des Islam, wo alle Anlagen dafür existieren: Lehrer und Bildung, zum Beispiel, sind ein Geburtsrecht für jeden Menschen. Das wird offensichtlich in einigen muslimischen Ländern nicht so praktiziert, weil sie den Kontakt zu den ursprünglichen Lehren des Isalm verloren haben. Eine der gebildetsten Frauen in der Geschichte war eine der Ehefrau des Propheten. So viele Kenntnisse kamen von ihr.

 

 

Sie meinen Aisha?

 

Genau.

 

 

War sie nicht auch eine Kriegerin?

 

Ja, sie war draußen an der Front, mit einem Kamel und überhaupt. Sie hat es dann bedauert, aber das ist eine andere Geschichte. (lacht; Yusufs Frau sagt: „Ich möchte hier noch gern die Frauen in deinem Leben erwähnen, deine Töchter, sie sind umfassend ausgebildet.“) O mein Gott, ja! Meine Mutter war die erste. Und es gibt ein Sprichwort im Islam: Wenn jemand fragte, wem er Respekt erweisen solle, antwortete der Prophet: Deiner Mutter. Wem als Nächstes? Deiner Mutter. Wem als Nächstes? Deiner Mutter. Wem als Nächstes? Dann deinem Vater. Das heißt nicht, dass die Frauen nichts anderes als Mütter sind. Aber es zeigt die Bedeutung der Mutter, und jede Frau weiß, was das bedeutet.

 

 

Sie sind noch immer sehr einflussreich, und jetzt gehen Sie zurück auf die Bühne. Werden Sie versuchen, Ihr Publikum zu lehren, so zu denken, wie Sie es tun?

 

Die Mehrheit, das große Mittelfeld ist schon dort. Von dort bekomme ich die meiste Unterstützung. So viele Muslime, wo immer wir hinkommen, sind begeistert von dem, was ich tue. In der Türkei gibt es massive Unterstützung, in Malaysia genauso. An anderen Orten liegt es noch unter dem Boden, aber es ist da, ich meine zum Beispiel Marokko oder Algerien. Und ich wollte zurück nach Europa, weil ich fühlte, dass es dort eine immense Kluft gibt, eine tiefe Kluft, die ich überbrücken will.

 

 

Und nun treten Sie endlich auch wieder in Deutschland auf.

 

Ich liebe Deutschland. Es war immer Teil meiner Geschichte, meiner musikalischen Geschichte. Mein allererster Auftritt im Farbfernsehen war im „Beat Club“. Kennen Sie das?

 

 

Ja, dafür bin ich auch schon alt genug.

 

Und ich hatte ein schwarzes Samtjacket an, genau wie Sie jetzt. (lacht)

 

 

Dann sind Sie aber von der Bildfläche verschwunden und erst in Thomas Gottschalks Show „Wetten, dass . . ?“ wiederaufgetaucht.

 

Nein, davor habe ich mir erst einmal meine Locken wachsen lassen, und ich war on the road to find out, wie ein Song aus „Tea for the Tillerman“ heißt. Im „Beat Club“ war ich, als ich noch bartlos war, erst danach habe ich mir einen Bart wachsen lassen . . .

 

 

Sie haben fast zwanzig Jahre lang aus religiöser Überzeugung keine Musik gemacht. FRAGE: Jetzt ist die Musik wieder bei Ihnen. Haben Sie die Musik nicht vermisst?

 

Nein, es ist so, dass mein Leben in dieser Zeit harmonischer wurde, weil ich meine Familie hatte - als eine Balance und ein Maß. Denn Musik ist Balance, Maß und - ja, Vielfalt. Ich habe auch niemals ganz aufgehört, Musik zu schreiben. Um ehrlich zu sein, hatte ich sogar ein Lied für mein erstes Kind geschrieben. Dann haben wir begonnen, überhaupt Lieder für Kinder zu schreiben. Und eine Menge muslimischer Familien hören sie jetzt und verlassen sich darauf als musikalisches Element in ihrem Leben. Das ist ziemlich phantastisch. Es gab ja vorher keine englischen Lieder, die in einem muslimischen Haus gespielt werden konnten. Nun gibt es sie, und es werden immer mehr und immer mehr Sänger und Schreiber, mehr Inspiration.

 

 

Sie selbst werden jetzt jene Lieder wieder im Programm haben, die Sie so lange Zeit nicht gesungen haben. Wie zum Beispiel „Morning has broken“, das doch eigentlich ein englisches Weihnachtslied ist.

 

Nein, nein! Das ist eine längere Geschichte. Sie führt zurück nach Irland, das Lied ist ursprünglich gälisch. Den Text hat später eine englische Autorin in „Morning has broken“ geändert. Dann kam ich und habe das Arrangement verändert.

 

 

Auf der Setliste für Ihre Konzerte habe ich eines meiner Lieblingslieder vermisst: „Hard Headed Woman“.

 

Oh, Sie treffen gerade meine „hard headed woman“! (lacht)

Sie könnten nicht näher an ihr dran sein!

 

 

„. . . and the rest of my life will be blessed . . .“?

 

There we are!

 

 

Vielleicht könnten Sie ja „Hard Headed Woman“ in den Konzerten als Zugabe spielen?

 

Wir werden sehen. Ich habe die Songs aufgelistet, die ich selbst gern singen will. Und ich werde zusehen, dass wir mit möglichst vielen davon an einem Abend auch durchkommen.

 

 

Sie haben auf Ihrem 2006 erschienenen Album „An Other Cup“ eine Änderung in dem alten Lied „I think I see the light“ vorgenommen: Früher war da von einem Mädchen die Rede, das taucht nun nicht mehr auf.

 

Wissen Sie, es ist so leicht, Liebeslieder zu schreiben. Bei „I think I see the light“ ging es mir 1970 aber viel mehr um Erleuchtung, in einem buddhistischen Sinne. Und nur um das den Leuten nahezubringen, hatte ich es ursprünglich mit der Figur eines Mädchens verbunden.

 

 

Sie leben jetzt mit Ihrer Frau in Dubai. Werden Sie auch dort auf die Bühne gehen?

 

Wir wollen in Dubai nicht so viel machen, einfach um ein wenig Abstand zu behalten. Aber neulich waren wir in Malaysia, und Indonesien erwartet uns schon, genau wie Südamerika und Brasilien. In Brasilien habe ich ja einmal gelebt. Das sind also die Orte, wo wir hingehen wollen - um Musik zu spielen und die Leute glücklich zu machen.

 

 

Ist das der einzige Grund, warum Sie auf die Bühne zurückgekehrt sind?

 

Ja, genau - und um die Menschen zusammenzubringen, die zu unseren Konzerten kommen. Es sind jede Menge ganz verschiedene Leute, die da zusammenkommen.

 

 

Was endlich hat in Ihnen diesen Wandel veranlasst, von Ihrem früheren, sehr konservativen muslimischen Engagement hin zu Ihrem jetzigen liberal-humanistischen Standpunkt?

 

Ich bin ein Spiegel, durch den der Westen den Islam sehen kann und durch den die Muslime den Westen sehen können. Die Leute haben es jetzt schwer, die spirituelle Botschaft des Friedens zu entziffern, die hinter den flammenden Schlagzeilen im Namen des Islam existiert. Nach dem 11. September 2001 habe ich beschlossen, dass es Zeit war, wieder für den Frieden zu singen und für das ganz große Mittelfeld, in dem die meisten Muslime leben und wohnen - weit entfernt vom Extremismus.

 

[Frankfurter Allgemeine Zeitung, 05.05.11]

 

Was ist los mit Cat Stevens?

Als Yusuf Islam möchte der britische Pop-Musiker die Welt befrieden


Mit Songs wie "Morning Has Broken" wurde er in den 70er Jahren zum Folk-Softie. Dann schmiss er alles hin. Doch jetzt singt er wieder. Auch in Mannheim.

 

Nach 35 Jahren kommt er also zurück auf deutsche Konzertbühnen und spielt seine alten Hits, als wäre nichts gewesen. Was ist da los? Braucht er Geld? Ist ihm langweilig geworden? Oder findet er seine kompromisslose Kehrtwende zur islamischen Religion, die 1977 angeblich nach einem Nahtoderlebnis im Pazifischen Ozean vor Malibu begann, nun selbst ein bisschen übertrieben? Doch zunächst einmal: Wie heißt er jetzt eigentlich?

 

"Süße Katzenäuglein"

Als Steven Demetre Georgiou kam er im Juli 1948 als Sohn eines Griechen und einer Schwedin in London zur Welt, doch der Geburtsname war für seine Ambitionen schnell zu uneinprägsam. Er nannte sich Cat Stevens – Steven wegen seines Vornamens und Cat, weil eine Freundin meinte, er habe so süße Katzenäuglein – machte eine einschlägige Weltkarriere, fand jedoch den Cat-Teil seines Künstlernamens immer schon blöd. Dann plötzlich: Schluss mit der schnöden Pop- und Folkmusik, die ihn zum weltweit berühmten Musiker und Multimillionär gemacht hatte. Er hieß nun Yusuf Islam. Später dann nur noch Yusuf, weil er, wie er auf seiner Homepage schreibt, es unangemessen fand, wenn irgendwo stand "Islam sagt . . ." und dann bloß er, Yusuf Islam, gemeint war. Tja, und jetzt ist die 360-Grad-Läuterung fast vollzogen: Sein Tourveranstalter wirbt mit "Cat Stevens alias Yusuf" für die Shows und verspricht, genau wie der Meister selbst, dass er seine größten Hits spielt. Als da sind: "The First Cut Is The Deepest", "Morning Has Broken", "Father And Son" oder "Peace Train". Die Lieder entstanden alle zwischen den späten Sechzigern, in denen Stevens zunächst als etwas wilderer Pop-Rocker es sogar ins Vorprogramm von Jimi Hendrix geschafft hatte, und den mittleren Siebzigern.

 

Studium des Koran

Mit Tuberkulose lag er 1968 fast ein Jahr flach und kehrte als nachdenklicherer und bärtigerer Folkbarde zurück, als Inspiration dienten nun vor allem Bob Dylan und die "Beatles". Mehr als 100 Millionen Tonträger mit seinen versöhnlichen, in lieblicher Tonart und mit inniger Stimme vorgetragenen Songs hat Steven Yusuf Islam Georgiou bis heute verkauft, seine Stücke werden immer wieder gern und erfolgreich (Ugly Kid Joe, Sheryl Crow, Ronan Keating) neu interpretiert. Nur Yusuf selbst, wie gesagt, dem war das als Islam-Fundi auf einmal alles wurscht. Er warf die, zugegebenermaßen am Ende auch nicht mehr ganz so erfolgreiche, Karriere weg, heiratete 1979 Fauzia Mubarak Ali und bekam mit ihr vier Töchter und zwei Söhne, von denen einer kurz nach der Geburt verstarb. Eifrig studierte er den Koran und wurde auf seiner spirituellen Reise in Richtung des inneren Friedens ein wenig wunderlich. Er schrieb das religiöse Kinderbuch "A is for Allah" und legte die Gitarre zur Seite, da sie als "westliches Instrument" nicht mehr kompatibel mit seiner religiösen Weltsicht war.

 

Der Westen selbst erwies sich unterdessen als zusehends unkompatibler mit den verschrobenen bis kriminellen Ansichten und Anwandlungen des Yusuf Islam. Vollends um Kopf und Kragen redete er sich 1989, als Salman Rushdies islamkritisches Buch "Die Satanischen Verse" erschien, woraufhin der iranische Führer Ayatollah Khomeini eine Fatwa aussprach, also seine Glaubensbrüder zur Tötung Rushdies aufrief. Und Yusuf? Schloss sich der Hetze an, indem er in einer britischen TV-Show neben anderen Unsäglichkeiten kundtat, er wolle nicht Rushdies Bücher, sondern lieber gleich den Autor selbst brennen sehen. Seitdem entschuldigte er sich unzählige Male für seine Worte, relativierte sie und versuchte sie auf seinen schwarzen britischen Humor zu schieben – die Vereinigten Staaten verweigerten ihm trotzdem noch 2004 die Einreise, inzwischen hat Stevens jedoch wieder in den USA gespielt.

 

Warum Cat Stevens letztlich wieder nach und nach zu seinem Beruf und auch zumindest auf der Bühne zu seinem alten Künstlernamen zurückgekehrt ist – er selbst lässt die Frage mit vielen versöhnlichen Worten unbeantwortet. Tatsache ist: 1997 trat er erstmals wieder live auf, 2006 veröffentlichte er nach 28 albumfreien Jahren mit "An Other Cup" eine neue Platte, der 2009 mit "Roadsinger" eine weitere folgte, jetzt also die Tour. "Es hat mich ermutigt, zu sehen", schreibt Yusuf, "dass ich eine neue Generation mit den herzergreifenden Themen meiner Songs inspiriere. Ich ging durch eine Phase, in der ich meinem Schaffen komplett den Rücken zukehrte. Aber heute weiß ich, dass das eine zu radikale und übertriebene Reaktion auf meine geistige Glückseligkeit war, die ich im Islam gefunden hatte." Anders ausgedrückt: Zur Rettung des eigenen Rufes und Vermächtnisses und auch, weil in vielen islamisch geprägten Ländern selbst der Trend zu einer gewissen Öffnung geht, wird die Katze auf ihre alten Tage wieder geschmeidig – und geht nun erneut auf Tournee.

 

[Frankfurter Neue Presse, 06.05.11]

 

Cat Stevens kommt in die O2-World

Am 14. Mai kommt Yusuf Islam alias Cat Stevens in die O2-World. Das neue Album gibt’s schon jetzt.


In den 70er-Jahren wurden seine Weisen häufiger im Radio gespielt als die Lieder von Udo Jürgens und Peter Alexander, von Queen und Neil Diamond.

Cat Stevens brachte jedes Jahr eine Platte heraus, er sah aus wie ein Hippie aus dem Morgenland, und man glaubte ihm, wenn er von der „Wild World“ sang, vom „Wind“, vom „Moonshadow“. Sein beliebtester Klopfer handelt vom Dämmern des Morgens: „Morning Has Broken“ wurde bei jeder Jugendfreizeit geklampft.

 

Nach 1977 wollte Cat Stevens kein Singer/Songwriter mehr sein, er las jetzt im Koran und glaubte an Allah. Ein letztes Album schuldete er der Plattenfirma, dann widmete er sich islamischen Studien und nannte sich Yusuf Islam. Als Auswüchse seiner Religion manchem Europäer zunehmend dubios erschienen, meldete sich Yusuf mit einem Werk der Versöhnung zurück: „An Other Cup“ klang 2006 ähnlich schmusig wie früher, aber die Songs taugten nicht viel.

Yusuf gab sich weltlicher, beantwortete wieder Fragen und fand es nicht merkwürdig, dass seine Frau ein paar Schritte hinter ihm ging und er anderen Frauen nicht die Hand gab.

 

Aus Yusuf wurde wieder Cat

Nun unternimmt der eher nicht Erleuchtete noch einmal eine Tournee – plötzlich heißt er wieder Cat Stevens, und auch die alten Hits singt er wieder. Dazu gibt es das Album „Icon“, ein Destillat seines Schaffens, und man kann hören, wie grandios einfache Lieder wie „Peace Train“ und „Father And Son“ waren.

Stevens war der unpolitische Mediator unter den Hippie-Songschreibern, auf seine Lieder konnten sich fast alle einigen, denen Leonard Cohen zu traurig und Jackson Browne zu innerlich war. Die Compilation „Icon“ enthält zwei alte Songs – „Roadsinger“ und „Everytime I Dream“ – in Versionen, die Yusuf aufgenommen hat. Da spätestens merkt man, wie bizarr, ja bloß behauptet der Identitätswechsel ist. In Cat steckte vielleicht ein Mann, der religiöse Mantras singen wollte – aber die Welt liebte Cat Stevens.

 

Nun hat sie ihn zurückbekommen. Vielleicht raucht man ein Pfeifchen, zündet Räucherstäbchen an, trinkt Yogi-Tee und lädt ein paar Brüder und Schwestern ein. Und Cat-Yusuf säuselt „Oh Very Young“.

 

[Berliner Zeitung, 07.05.11]

 

Der Peace Train rollt wieder


Er schnauft während der Ansagen zwischen den Songs nur ein kleines bisschen hinter seinem weißen Weihnachtsmannbart. Ansonsten ist dem 62-Jährigen, der als Cat Stevens einen Fixplatz im Olymp der Pop-Geschichte hat, sein Fast-Pensionsalter nicht im Geringsten anzumerken. Am Samstag eröffnete Yusuf in Stockholm seine erste Europa-Tournee seit Ende der 1970er Jahre.

 

Damals trat der gebürtige Brite zum Islam über, legte seinen Künstlernamen Cat Stevens ab und hängte seine Musikerkarriere für längere Zeit an den Nagel. Nun ist Yusuf, wie sich der Musiker in Verkürzung seines muslimischen Namens als Künstler heute nennt, wieder zurück. Allein mit einer akustischen Gitarre kommt er auf die Bühne und macht schon mit den ersten Songs, darunter dem Opener "Lilywhite" von seinem Durchbruch "Mona Bone Jakon" (1970), den rund 8.000 Konzertbesuchern sofort klar, was der Abend bringt. Kein langweilig hingenudeltes Greatest-Hits-Menü eines alternden Showstars. Vielmehr einen erbaulichen, zeitweise rührenden bis mitreißenden, mit selbstironischem Humor jugendlich moderierten Liederabend von jemandem, der nichts mehr beweisen muss und doch noch etwas zu sagen und singen hat.

 

Vor allem zu singen hat Yusuf eine Menge. In seinem Repertoire finden sich etliche unwiderstehliche Evergreens wie "Morning Has Broken", "Wild World" oder "Father And Son". Die meisten davon konnte und wollte Cat Stevens - als solcher ist er wohl in den Köpfen und Herzen seines Publikums verewigt - bei seinem europäischen Tour-Comeback nicht auslassen.

 

Dass die Songs auch klangen wie seinerzeit frisch von der Plattenpresse, dafür sorgte seine blendend disponierte Tourneeband, der glasklare Sound im früher als Eishockeystadion wegen seiner muffigen Akustik berüchtigten Stockholmer Hovet und vor allem seine Stimme. Diese hat sich nicht nur ihr charakteristisches Timbre bewahrt. In den tiefen Lagen klingt sie gereift und wohliger als zu Cat Stevens' kommerziellem Zenit in den 1970er Jahren.

 

Die zweiteilige Setlist besteht zu einem Viertel aus einer Art Exposé seines 2008 privat uraufgeführten Musicals "Moonshadow", das vermutlich als nächstes Projekt Yusufs vor ein größeres Publikum gebracht werden soll. Neben den erwähnten Evergreens, die strategisch klug gegen Ende des Konzerts platziert wurden, präsentiert Yusuf auch einige Songs aus seiner jetzigen Schaffensperiode, die das Zeug zu Klassikern haben.

 

Darunter fallen das eingängige "Boots and Sand" und das kämpferische "My People". In ersterem setzt sich Yusuf mit jenem Zwischenfall auseinander, als ihm wegen angeblichem Terrorverdachts 2004 die Einreise in die USA verweigert wurde. Um seine Botschaft auch vollständig herüber zu bekommen, verlässt er die Bühne und lässt die Band den Song zu einem auf der Großleinwand gezeigten, bissig-humorvollen George-Bush-Schmähvideo intonieren.

 

In dem brandaktuellen "My People" geht es um die Unterstützung der Demokratiebewegung in der arabischen Welt. Während es ihm und seiner Band trotz blendender Konzertstimmung mit diesem, als Zugabe gespielten Song nicht so recht gelingen will, das im doppelten Wortsinn vorwiegend gesetztere Publikum aus der Bestuhlung zu reißen, schaffte er es mit dem letzten Song des Abends. Der "Peace Train" mit ihm als Lokomotive machte den 8.000 dann doch Beine und entfachte bei seiner Quasi-Heimkehr - Yusuf ist Sohn einer schwedischen Mutter - einen abschließenden Begeisterungssturm.

 

Einer der weiteren bleibenden Momente dieses Konzerts war wohl auch jener, als mitten in einer Zwischenansage sein eingestecktes Handy rumorte und er es kopfschüttelnd mit dem Kommentar "My wife will kill me for that" (Meine Frau wird mich dafür umbringen) hervorzog und ausschaltete. Vielleicht war es auch nur einer seiner vielen kleinen, verschmitzten Gags. Herausfinden kann man das unter anderem in der Wiener Stadthalle, wo Yusuf alias Cat Stevens am 31. Mai Station macht. Es ist sein erstes Österreichkonzert in 35 Jahren.

 

[relevant, 09.05.11]

 



"Musically, I was revisiting a very Greek-sounding riff - the kind of thing

you'd hear on a Greek island.

The words were attached to that time, my peace anthem.

It ended every show that I did

and was quite a show stopper.

It was a very important song for me because it stated one of the big goals of my life which was heading straight for that peace."